(nach Christian Thibaudeau)
Das Neurotyping System , neurotyping Training
Wer kennt es nicht – man geht mit dem neu erstellen Trainingsplan (sei es von einem Trainer, Online-Coach, oder eigens kreiert) hoch motiviert ins Fitnessstudio und legt los. Nach einigen Wochen ohne Resultate schwindet die Motivation, die Trainingsgewichte wollen einfach nicht steigen und es macht keinen Spaß mehr. Doch andere scheinen mit dieser Art des Trainings gute Erfolge zu erzielen, woran liegt das?
Wir alle haben unterschiedliche hormonelle Voraussetzungen, die unsere Persönlichkeit ausmachen und somit unser tägliches Leben steuern. Die sogenannten Neurotransmitter beeinflussen auch unser Selbstbewusstsein, unsere Motivation, Reaktion auf Stress sowie die Lern- und Regenerationsfähigkeit.
Um beim Training die größtmöglichen Fortschritte zu erzielen, musst du hart und zielstrebig trainieren. Und das funktioniert nur wenn du ein Programm hast, welches entsprechende Resultate bringt und dich langfristig motiviert. Um das zu gewährleisten muss es deinem neurologischen Profil entsprechen – so kannst du das Maximum aus deinem Training herausholen, fühlst dich fitter, leistungsfähiger und produktiver, was sich auch auf andere Bereiche deines Lebens auswirken wird. Ebenfalls wird ein Training „gegen deine Natur“, wie jeder Stress dem du einen Körper zumutest, dein Cortisol unverhältnismäßig stark erhöhen. Dies in Kombination mit weiteren Stress-Faktoren aus deinem alltäglichen Leben kann in einer chronischen Cortisol-Erhöhung münden – was das bedeutet könnt ihr in meinem Beitrag „Cortisol – Freund oder Feind“ nachlesen.
Neurotransmitter sind chemische Substanzen, welche die Kommunikation zwischen den Gehirnzellen ermöglichen, auch wenn sie eher dafür bekannt sind unsere Stimmung, Verhalten und Persönlichkeit zu beeinflussen. Sie sind aber ebenfalls zuständig für das Ansteuern unserer Muskeln und unserer Fähigkeit zur Koordination bei den großen Verbundübungen wie Kniebeugen oder Kreuzheben – somit ausschlaggebend bei wie vielen Muskelfasern wir den gewünschten Wachstumsreiz auslösen.
Die wohl bekanntesten Neurotransmitter sind:
- Dopamin („Genuss & Belohnung“)
- Adrenalin („Kampf oder Flucht“)
- Serotonin („Glück & Freude“)
Beim Neurotyping System werden zusätzlich noch betrachtet:
- GABA („Ruhe & Entspannung“)
- Acetylcholin („Lernen & Gedächtnis“ –> motorische Fähigkeiten)
Jeder Mensch hat unterschiedliche Mengen dieser Neurotransmitter und zugehörigen Rezeptoren (Andock-Stationen) zur Verfügung, eine unterschiedliche Reizschwelle (regelt wie viel Stimulation benötigt wird um den gewünschten Effekt zu erzielen) und kann diese Neurotransmitter mehr oder weniger gut „recyceln“.
Deine Persönlichkeit gibt dir Hinweise darauf, welche Neurotransmitter bei dir hoch und welche niedrig sind. Auch dein Verhalten wird enorm davon beeinflusst, ob dir das bewusst ist, oder nicht.
Wie findest du nun also heraus was für ein Neurotransmitter bei dir dominant ist und wie kannst du dadurch dein Training optimieren? Es gibt diverse Persönlichkeits-Tests (Braverman, Dr. Cloninger), diese betrachten aber nicht alle der benötigten Neurotransmitter und sind deshalb für eine eindeutige Identifikation ungeeignet.
Für die Analyse einiger Bekannter und mir selbst habe ich einen Fragebogen erstellt, mit dem man dies aussagekräftig ermitteln kann. Schreib mir bei Interesse einfach über das Anfrageformular.
Christian Thibaudeau unterscheidet beim Neurotyping System in fünf verschiedene Typen und über die folgenden Beschreibungen kannst du sicherlich schon eine kleine Tendenz erkennen, welcher davon du selbst bist. Der Großteil aller Menschen ist eine „Mischform“, es gibt jedoch immer einen Typen der sichtlich dominant ist. Anteile der anderen Typen können aber aufgrund von Erziehung, Umfeld oder Stress ebenfalls vorhanden sein.
Evtl. hast du dein Training sogar schon intuitiv passend zu eurem Neurotyp gestaltet, was natürlich optimal wäre.
Typ 1A „Intensität“
Persönlichkeit:
Der Typ 1A hat von Haus aus einen niedrigen Dopamin-Level, versucht diesen also durch sein Verhalten zu erhöhen. Er ist gleichzeitig sehr Dopamin-sensitiv, hat deshalb ein hohes Suchtpotenzial (Koffein, Alkohol, Spielsucht) – ein sog. „Adrenalin-Junkie“.
Er hat ein hohes Selbstbewusstsein, steht gern im Mittelpunkt, spricht viel und laut und legt nicht viel Wert auf die Meinung anderer. Passend dazu ist er extrovertiert, teilweise stur – aufgrund dessen aber auch sehr zielstrebig. Er liebt die Abwechslung und Herausforderungen.
Sportarten:
Er bevorzugt Einzel- oder Extremsportarten, sei es Kampf- oder Kraftsport (hier steht der Leistungsgedanke im Vordergrund), Snowboarding, Downhill oder Teamsportarten wie Rugby in den „kraftlastigeren“ Positionen.
Krafttraining:
Der Typ 1A trainiert am effektivsten im niedrigen (neurologischen) Wiederholungsbereich bei sehr hoher Intensität und langsamer oder sogar pausierter Übungsausführung. Er ist nicht für schnelle, explosive Bewegungen gemacht. Wenn das Volumen entsprechend niedrig gehalten wird kann er eine sehr hohe Trainingsfrequenz fahren und solange die Intensität stimmt benötigt er kaum Abwechslung im Training. Zu guter Letzt werden längere Pausenzeiten empfohlen um einen Anstieg von Adrenalin zu vermeiden.
Typ 1B „Explosivität“
Persönlichkeit:
Hier haben wir ebenfalls den niedrigen Dopamin-Level und die hohe Dopaminsensivität.
Weitere Parallelen zum Typ 1A findet man im hohen Selbstbewusstsein, der ungeduldigen, aber sehr zielstrebigen Art und dem ausgeprägten Leistungsgedanken. Hier ist der Typ 1B noch etwas spezieller – er sucht förmlich die Herausforderung und läuft bei Wettkämpfen zur Höchstform auf.
Dies in Kombination einem hohen Acetylcholin-Level macht ihn durch die dadurch gegebenen Multitasking und ausgeprägten motorischen (Lern-)Fähigkeiten zum geborenen Athleten und Leistungssportler. Daneben ist dieser Typ ein ruhigerer Zeitgenosse, kann aber für einen kurzen Moment „explodieren“, um danach wieder weiterzumachen als wenn nichts gewesen wäre. Bei diesem Typ ist die Eintönigkeit & Routine ein sehr demotivierender Faktor.
Sportarten:
Dieser Typ bevorzugt neben den genannten für Typ 1A auch die technisch anspruchsvolleren Einzelsportarten wie Tennis, Crossfit, Leichtathletik oder olympisches Gewichtheben.
Krafttraining:
Der Typ 1B beginnt am besten im neurologischen und wechselt im Laufe des Trainings in den reineren muskulären Wiederholungsbereich. Der hohe Acetylcholin-Level schützt seine restlichen Neurotransmitter, somit kann er trotz hoher Intensität ein moderates bis hohes Volumen fahren. Durch die von allen Typen beste Regenerationsfähigkeit kann auch die Trainingsfrequenz entsprechend gestaltet werden. Er bevorzugt eine schnelle, explosive Übungsausführung (Nutzung des „stretch-reflexes“) und kurze Pausenzeiten, am besten in Kombination mit Supersätzen, um die gewünschte Abwechslung im Training zu schaffen.
Der Typ 1B ist nicht gemacht für paused-lifting, langsame Übungsausführung oder zu viele Sätze pro Übung. Er benötigt viel Abwechslung im Training, sei es durch das Austauschen von Übungen, den erwähnten Supersätzen, oder den genutzten Geräten/Tools.
Typ 2A „Abwechslung“
Persönlichkeit:
Der Typ 2A hat einen niedrigen Noradrenalin-Level, versucht diesen also durch sein Verhalten zu stimulieren. Da Noradrenalin mit Selbstbewusstsein & -zufriedenheit in Verbindung gebracht wird, suchen sie sich bevorzugt Tätigkeiten und Aktivitäten aus welche mit sozialem oder materiellem „Gewinn“ belohnt werden.
Er hat ein geringes Selbstbewusstsein und wenig Motivation wenn der Noradrenalin-Level niedrig ist, kann aber in Adrenalin-stimulierenden Situationen zu Höchstform auflaufen.
Er ist sehr gut im Analysieren von Menschen, kann gut imitieren und sein Verhalten wenn nötig anpassen. Ebenfalls versucht er mit jedem auszukommen, legt viel Wert auf die Meinung anderer und überlässt ihnen gerne Entscheidungen um Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Auch gerade deshalb ist der Typ 2A sehr gesellig und unterhaltsam, mag Abwechslung und probiert gerne neue Dinge aus. Aufgrund des hohen Acetylcholin-Levels ist er ebenfalls sehr gut im Multitasking, hat ausgeprägte motorische (Lern-)Fähigkeiten und ein gutes Stress-Management.
Sportarten:
„Alle was Spaß macht“, fühlen sich wohl bei Gruppen- und Team-Sportarten.
Krafttraining:
Hier gilt das Motto „alles funktioniert, aber nichts für lange“, eine gesunde Mischung aus neurologischem und muskulärem Training, sei es beim Wiederholungsbereich, der Intensität oder dem Volumen sind für diesen Typen am besten geeignet. Die Pausenzeiten sollten so kurz wie möglich gehalten werden, um das Adrenalin nicht allzu weit absinken zu lassen.
Empfohlen wird eine moderate Frequenz wenn er unter Stress steht, ansonsten kann diese nach Gefühl und Fortschritt etwas erhöht werden. Typ 2A benötigt quasi in jedem Training eine Anpassung oder Veränderung.
2B „Begeisterung“
Persönlichkeit:
Hier haben wir wieder viele Gemeinsamkeiten mit dem Typ 2A. Neben demniedrigen Noradrenalin-Level und dem geringen Selbstbewusstsein ist der 2B introvertiert, sensibel, emotional und sehr empathisch – das alles macht ihn sehr gut im Analysieren von Menschen und im Einzelgespräch.
Der Typ 2B ist bereit für seine Beziehungen alles zu geben, sei es Freundschaft, Ehe oder die Familie und gibt immer sein Bestes (wenn es sich für ihn lohnt).
Er bevorzugt Aktivitäten, die er bereits kennt und in denen er gut ist, setzt sich aber sehr unter Druck und läuft deshalb auch oft Gefahr darunter einzubrechen oder „auszubrennen“ (besonders zeigt sich dies bei Prüfungen oder Wettkämpfen). Er hat aufgrund des niedrigen Acetylcholin-Levels Schwierigkeiten beim Erlernen motorischer Fähigkeit oder neuer Bewegungsabläufe, ist jedoch bereit hart zu arbeiten, um diese nichtsdestotrotz zu meistern – was jedoch manchmal auch in Frustration enden kann.
Sportarten:
Gute Teamplayer, bevorzugen ebenfalls Gruppen- und Teamsportarten.
Krafttraining:
Typ 2B ist aufgrund der optischen Anpassungen der geborene „Bodybuilder“, legt viel Wert auf die „Mind-Muscle-Connection“ und den Pump. Er fährt am besten mit einer Mischung aus muskulärem Wiederholungsbereich und „Pump-Sätzen“, hier ist ein hohes Volumen möglich. Training im neurologischen Wiederholungsbereich sollte nur für einen kurzen Zeitraum durchgeführt werden und wenn der Fokus auf Kraftentwicklung steht.
Er benötigt nur kurze Pausenzeiten, bevorzugt eine langsame oder gar pausierte Übungsausführung, die Trainingsfrequenz sollte moderat gehalten und bei Stress oder ausbleibender Fortschritte nach unten korrigiert werden. Er ist nicht gemacht für schnelle, explosive Bewegungen und solange das Training ein gutes Muskelgefühl/Pump gibt, benötigt er kaum Abwechslung.
Zusatzinfo: für diesen Typ empfiehlt Christian Thibaudeau ebenfalls viele Supersätze. Ich selbst zähle mich zu den 2B’s, komme mit Supersätzen außer bei dem Armtraining aber nicht klar, da ich hier in der zweiten Übung selten eine für mich zufriedenstellende Leistung bringen kann. Kann natürlich ebenfalls an einem niedrigen Acetylcholin-Level liegen. Wie auch immer, deshalb habe ich für mich personalisierte Änderungen vorgenommen, die natürlich auch bei euch nötig sein können.
Typ 3 „Kontrolle“
Persönlichkeit:
Der niedrige Serotonin-Level dieses Typs wird mit einem geringen Energielevel und häufiger Müdigkeit in Verbindung gebracht. Er ist Theoretiker & Perfektionist (ein „N3rd“), arbeitet konzentriert, strukturiert, plant viel, neigt jedoch dazu Dinge zu überanalysieren und sich in Details zu verlieren („Kopfmenschen“). Der Typ 3 hat eine sehr niedrige Stresstoleranz und muss deshalb stets alles unter Kontrolle haben. Er bevorzugt bekannte Aktivitäten bei denen er abschätzen kann was ihn erwartet und scheut das Risiko. Er vermeidet Konflikte, ist geduldig, eher introvertiert, passiv und wenig kritikfähig.
Sportarten:
Bevorzugt „ruhigere“ Sportarten bei denen weniger körperliche Anstrengung gefordert ist oder Gefahr besteht sich zu verletzen (Joggen, Tischtennis, E-Sport).
Krafttraining:
Dieser Typ ist am anfälligsten für einen (chronisch) hohen Cortisol-Level durch Stress oder Überbelastung, was seine Fortschritte schnell zum Erliegen bringen kann. Er benötigt stets einen Plan, um sich auf das Training & die Herausforderungen vorbereiten zu können, bestenfalls mehrere Wochen im Voraus.
Die Intensität sollte moderat gehalten werden, um sich auf die Ausführung konzentrieren zu können. Wenn sie eine Übung perfekt beherrschen, kann er dort jedoch auch sehr schwer trainieren sowie viele Sätze und Wiederholungen dieser Übung absolvieren (bspw. German volume Training), alles bei langsamer & kontrollierter Übungsausführung.
Aufgrund des bereits erwähnten Cortisol Problems hat er die niedrigste Trainingsfrequenz von allen Typen und bevorzugt zwischen den relativ langen Satz-Pausen leichte Beweglichkeits- oder Dehnübungen um Verletzungen vorzubeugen. Er benötigt die geringste Abwechslung im Training und kann dieselben Übungen über einen sehr langen Zeitraum beibehalten, ohne demotiviert oder gelangweilt zu werden.
Im nächsten Teil gehe ich detaillierter auf die Trainingsgestaltung der einzelnen Typen ein.
Für Fragen zum Artikel Neurotyping System oder wenn du Schwierigkeiten hast dich einem der fünf Typen zuzuordnen, kannst du mir gerne über das Anfrageformular schreiben.
Quellen:
- Neurological & physical typing certification
- Nonstop natural gains – the neurotyping system
- www.thibarmy.com/blog